Vorfahrt für Kundenorientierung und schnelles Validieren

Das auf vier zentrale Phasen reduzierte Modell zur Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle wurde im Rahmen des Verbundprojekts AgilHybrid entwickelt. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Verstehen der wirklichen Bedürfnisse und Wünsche Ihrer Kunden sowie dem frühen Testen und Validieren der ersten entwickelten Lösungen zusammen mit den Kunden.

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Thomas Trabert (HHL), Sebastian Beiner (HKA), Claudia Lehmann (HHL), Steffen Kinkel (HKA), Dominique René Fara

Die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle bedarf eines besonderen Entwicklungsprozesses. Klassische Innovations- und Produktentwicklungsprozesse stoßen hier häufig an ihre Grenzen. Der Grund ist, dass die Besonderheiten der kombinierten Produkt- und Dienstleistungsentwicklung der hybriden Wertschöpfung eine besondere Kundenorientierung, Interdisziplinarität und rasches Validieren erfordern.

Während sich klassische Produktentwicklung auf das Entwerfen möglichst perfekter physischer Produkte konzentriert, stellt die Innovation von digitalen Services und Geschäftsmodellen den Kundennutzen in den Mittelpunkt. Das Geschäftsmodell beinhaltet sowohl den Verkauf eines Produktes mit seinen Funktionen als auch alle Prozesse, welche den Nutzen für den Kunden steigern.

1. Kundenproblem identifizieren

2. Ideen generieren

3. Testen & Validieren

4. Realisieren

Der Kundennutzen kann nur bei einer angepassten Geschäftsmodellentwicklung gesteigert werden. Es ist essenziell, kurze Entwicklungszyklen und häufige Validierung mit den Kunden durchzuführen, um zu gewährleisten, dass das entwickelte Geschäftsmodell dem Kunden Nutzen stiftet. Dies entspricht den Grundsätzen agilen Entwickelns. Aus diesem Grund entwickelte AgilHybrid ein Phasenmodell zur Innovation digital vernetzter Geschäftsmodelle, welches sich am Vorgehen der agilen Softwareentwicklung orientiert.

Das entwickelte Modell betrachtet die vier Phasen der Entwicklung von neuen digitalen Geschäftsmodellen in Unternehmen, welche bereits existierende, häufig auf den klassischen Produktverkauf fokussierte Geschäftsmodelle besitzen. Es wird daher davon ausgegangen, dass bereits eine bekannte externe Unternehmensumwelt wie Markt, Kunden, Konkurrenz und weitere Stakeholder besteht. Neben Anpassungen von Produkten und Leistungserstellungsprozessen wirkt sich eine Geschäftsmodellentwicklung auch auf die Organisationsstruktur aus, sowohl auf die Ablauf- als auch auf die Aufbauorganisation eines Unternehmens.

Im oberen Bereich des Prozessmodells ist die externe Umwelt des Unternehmens dargestellt. Während des Entwicklungsprozesses sollte ein stetiger Austausch stattfinden. Speziell die Kundensicht einzunehmen ist ein wichtiger Bestandteil. Doch auch die Analyse des Marktes, der Konkurrenz von Lieferanten und anderen Stakeholdern ist unabdingbar. Aufgrund des notwendigen Austauschs mit den Kunden zur schnellen Validierung ist eine gute und enge Kommunikation wichtig.

Prozess zur Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle

Phase 1: Problemidentifikation

Die erste Phase des Entwicklungsprozesses für digitale Geschäftsmodelle ist die Problemidentifikation. Hierbei liegt der Fokus auf den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden, den endgültigen Nutzern der Produkte.

Ein häufig begangener Fehler liegt darin, sich bei der Kundenfokussierung lediglich auf die Einschätzung interner Mitarbeiter zu verlassen wie beispielsweise auf Vertriebsmitarbeiter.

Es ist unabdingbar, dass die Entwicklungsteams selbst mit Kunden sprechen und deren reale Schmerzpunkte und Motivatoren – Pains und Gains – identifizieren.

Phase 2: Ideenphase

Die identifizierten Pains und Gains stellen den Kern des neuen Geschäftsmodells dar: das Wertversprechen. In der Ideenphase soll nun Möglichkeiten gefunden werden, diese Pains und Gains zu befriedigen. Das Geschäftsmodell wird dann inhaltlich fixiert. Zur Strukturierung der Ideensuche eignen sich bewährte Modellvorlagen wie beispielsweise das Business Model Canvas oder der Business Model Navigator.

Stellen Sie sich in diesem Prozess insbesondere folgende Fragen:

Was bietet dem Kunden wirklich einen Mehrwert?
Für was ist der Kunde bereit zu bezahlen, wie verdienen wir mit diesem Geschäftsmodell Geld?
Wie kommen wir mit den Kunden in Kontakt? Wie bauen wir eine anhaltende Kundenbeziehung auf?
Wie kommt das Produkt bzw. der Service zum Kunden?
Was können wir selbst anbieten und wo brauchen wir externe Unterstützung?
Wer sind unsere wichtigsten Lieferanten und Partner?

Nach der Sammlung einer Vielzahl von Ideen ist eine Priorisierung angeraten. Hierbei sind Ideen mit hohem Nutzen und möglichst geringem Aufwand zu bevorzugen. Für eine entsprechende Priorisierung hat sich die Methode des „Planning Poker“ bewährt.

Phase 3: Testen & Validieren

Die Validierung der ausgewählten Geschäftsmodellideen ist für den Erfolg des Geschäftsmodells der wohl wesentlichste Entwicklungsschritt. Diese läuft in kurzen Iterationszyklen entsprechend agilem Vorgehen ab. Es werden Prototypen mit begrenztem Funktionsumfang entwickelt, die dann von den Kunden unmittelbar getestet werden. So erhält man umgehend Feedback, welche Funktionen den Kunden einen Nutzen bieten, welche nicht und welche Merkmale noch überarbeitet werden müssen. So finden laufend Anpassungen und Verbesserungen am Geschäftsmodell statt, die direkt erprobt werden.

Die gewonnenen Erkenntnisse beeinflussen den nächsten Iterationszyklus. Sollten bei der Erprobung Hindernisse zum Vorschein kommen, die nicht durch Anpassungen überwunden werden können, dann gehen Sie wieder in die Ideenphase zurück. Die-Idee für das digitale Geschäftsmodell oder den Service kann dann angepasst oder eine andere der konzipierten Ideen für die weitere Entwicklung ausgewählt werden. Ziel der Validierung ist die Entwicklung eines Geschäftsmodellprototyps oder eines Minimum Viable Product, kurz: MVP. Das MVP stellt ein Produkt dar, welches gerade so viele Funktionen besitzt, dass es nutzbar ist.

Phase 4: Realisieren

Die vierte Entwicklungsphase ist die Realisierung. Ziel ist die Skalierung des Geschäftsmodells, also neue Kunden oder Märkte zu erschließen und Marktanteile zu erhöhen. Dies macht Anpassungen in der Organisationsstruktur notwendig. Der Grund ist, dass funktionierende Prozesse für die wachsende Kundschaft effiziente Strukturen und angepasste Kapazitäten erfordern.

Machen Sie sich bewusst, dass sich sowohl Ihr Unternehmen als auch das Geschäftsmodell im Entwicklungsprozess stetig verändern. Bei dieser Anpassung gilt es, gewonnene Erfahrungen aus dem Einsatz im Markt zu berücksichtigen. Ähnlich der Validierungsphase kann dies in iterativen Zyklen geschehen. Dabei verschiebt sich der Fokus von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit mit der Skalierung hin zu effizienten Prozessen.

Das Video zeigt Prof. Dr. Steffen Kinkel (Hochschule Karlsruhe) auf dem Fachsymposium NEO2021. Er gab dort in seiner Keynote „Neue Geschäftsmodelle traditioneller Unternehmen – 7 Hürden einer erfolgreichen Transformation“ Einblicke in die Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle in Unternehmen.

Wenn Sie auf das Bild klicken, können Sie sich das Video auf unserem YouTube-Kanal ansehen.

Digitale Geschäftsmodelle:
Mit welchen Hürden kämpfen deutsche Industrieunternehmen?

8 Hürden bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle

2022-02-06T18:11:50+01:00Tags: , , |

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